Was ist Meditation I

Meine erste Vorstellung von Mediation kam aus Filmen. Sehr alte und weise Männer pflegten lange zu sitzen und zu schweigen und sagten selten äußerst rätselhafte Dinge. Oder sehr junge und starke Männer sind völlig im Einklang mit ihrem Körper und ihrer Waffe, so dass sie jeden beliebigen Gegner zur Strecke bringen. Sie sind auf Grund von Meditation so sehr präsent, dass sie unbesiegbar sind. In den Filmen wenden sie dennoch jede Menge Gewalt in sehr spektakulären Kämpfen an. (Wobei sonst sollte man auch zuschauen?)

Ich verband mit Meditation Vorstellungen davon, sehr weise aber auch stark, überlegen, unbezwingbar und unverletzlich zu sein. Als Meister schwebt man über den Dingen und nichts und niemand kann einem etwas anhaben. In einer Welt voller Schmerz, Verletzung und verwirrender Gefühle, war dies für mich eine verlockende Vorstellung. Gerade dieses Bild machte die asiatischen Kampfkünste für mich attraktiv. Doch da war auch noch etwas anderes: eine tiefe Sehnsucht, eine leise Stimme, die kaum vernehmbar anklopfte. Dies war der Auftakt eines langen und wechselhaften Übungsweges der Kampfkunst, der mit recht verzerrten Vorstellungen von der Wirklichkeit begann.

Meditation_I

Die Übung des Kampfes ist eine Übung des Geistes.

Später dachte ich Meditation bedeute, mit dem Denken aufzuhören. Man sitzt in einer streng reglementierten Sitzhaltung sehr still eine festgelegte Zeit da und versucht nicht zu denken. Auftretende Schmerzen erträgt man stoisch. Wenn man das nur lange genug durchgesessen hat, hört man auf zu denken. Dann tritt Erleuchtung ein.

So machte ich meine ersten Meditationserfahrungen. Die waren, wie man sich denken kann, wenig erfreulich. Dennoch: Rückblickend betrachtet sammelte ich bei diesen ersten Sitzversuchen wichtige Eindrücke und Erfahrungen. Ich machte aus der Meditation eine Art Leistungssport – völlig überfrachtet mit Erwartungen und Ansprüchen. Kein Wunder, dass ich das nie länger als ein paar Tage am Stück durchhielt.

Später fiel mir auf, dass ich die meisten Dinge meines Lebens so anpackte. Was ich anfing, sei es Sport oder Arbeit, verband ich mit unheimlich hohen Erwartungen und Selbstansprüchen. Ich musste gleich der Beste sein; Fehler verzieh ich mir kaum; die Anderen sollten mich bewundern. Das ist wie eine Wanderung mit einem viel zu schwer gepackten Rucksack – jeder Schritt wird mühevoll und beschwerlich. Das war eine freudlose Art zu leben, die sich daraus speiste, dass ich mit einer ganz bestimmten Haltung an die Dinge heran ging.

Man kann dem Denken keinen Widerstand leisten, denn wenn man das tut, wird das wieder nur von einem anderen Teil des Denkens gemacht.

Jiddu Krishnamurti

Gedanken lassen sich nicht wegdenken. Gedanken verschwinden gerade nicht durch eine besonders rigide Gedankenkontrolle. Es ist auch nichts verkehrt am Denken. Im Gegenteil! Es ermöglicht beispielsweise diesen Dialog hier. Die Frage ist jedoch, wie nutzen wir unseren Geist? Sind wir glücklich damit, wenn uns unsere eigenen Gedanken wie eine wildgewordene Horde Affen auf der Nase herum tanzen? Kopfkino ist ein Wort, um diesen Zustand zu beschreiben. Wir sitzen im Kinosaal und gebannt starren wir auf die Leinwand. Wir folgen fasziniert den Handlungen, Dramen und Kapriolen der Geschichte und vergessen dabei völlig die Welt außen herum. Nur dass sich dieser Film nicht auf der Leinwand, sondern in unserem eigenen Kopf abspielt [i].

Beobachten Sie einmal Ihre Gedanken. Was passiert da? Sind Sie Ihren Gedanken ausgeliefert? Wer ist dieser Beobachter, der (sich selbst?) das (beim) Denken beobachtet?

Dieser Gedanken-gang wird fortgesetzt….

[i] Sind Gedanken im Kopf. Wir sagen das so selbstverständlich, aber ich weiß nicht, ob das wirklich so klar ist. Woher wissen wir das? Können wir spüren, wo die Gedanken sind? Ein Grummeln im Magen kann ich spüren und lokalisieren. Geht das mit Gedanken auch?

Creative Commons Lizenzvertrag
Was ist Meditation I von Steven Sello ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

3 Kommentare zu “Was ist Meditation I

  1. schön geschrieben. hat mich schmunzeln lassen und auch wiedererkennungswert. 🙂
    das mit den gedanken finde ich auch spannend. ja, wo finden sie statt? ein lehrer erzählte mir mal, erspüre sie wie würmer im kopf. mir selbst ist eher so, als würde ich verdichtungen und bewegungen um kopf und schultern herum fühlen, also außerhalb des körpers.

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  2. Danke für diese wertvollen Gedanken. Habe mich an einigen Stellen mehr als ertappt gefühlt. Tut aber auch gut zu merken, dass auch andere auf ihrem Weg ähnliche Irrungen und Wirrungen durchmachen wie ich.

    Als ich Deinen Beitrag las, fragte ich mich, ob diese Umwege und Niederlagen nicht mit zum Weg gehören. Vielleicht sind sie notwendiger Teil des Weges, ohne den man gar nicht vorankommt.

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  3. Liebe Sophie, lieber Hagen, danke schön für euer Feedback!
    In meinem Fall gehören die Umwege und die Niederlagen oder die Bruchlandungen aus den hohen Wolken der Schein-Heiligkeit auf dem harten Boden der Realität jedenfalls dazu. Sie lehrten und lehren mich Demut und Bescheidenheit. Und die Sichtweise wandelt sich. Was einst als lästige Balast erschein, etwa eine ausgeprägte Empfindlichkeit, wird zur wertvollen Quelle. Nur meine brennende Ungeduld, die lässt nicht nach….
    Herzliche Grüße, Steven

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